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Mithilfe zehnjähriger Messungen an der einen Kubikkilometer großen Detektoranlage «IceCube» im Eis der Antarktis ist es einem internationalen Forscherteam erstmals gelungen, hochenergetische Neutrinos aus unserer Milchstraße nachzuweisen. Zuvor hatte «IceCube» ausschließlich energiereiche Neutrinos aus fernen Galaxien registriert. Zwar hatten theoretische Überlegungen eine ähnliche Teilchen-Strahlung auch aus der Milchstraße vorhergesagt, doch bislang hatten Astronomen danach vergeblich gesucht. Erst der Einsatz moderner Methoden des maschinellen Lernens hat das Signal jetzt in den gesammelten Daten des Detektors sichtbar gemacht, berichten die Wissenschaftler im Fachblatt «Science».Neutrinos sind recht scheue Gesellen: Sie treten mit gewöhnlicher Materie kaum in Wechselwirkung. Um die flüchtigen Partikel nachzuweisen, sind große Materiemengen nötig, die aus möglichst reinen Stoffen bestehen, die mit Neutrinos reagieren können. Ein solcher Stoff ist beispielsweise Wasser - und im Eis der Antarktis liegt es in großen Mengen in ausreichend reiner Form vor. Reagiert ein Neutrino - was selten vorkommt - mit einem Wassermolekül, so entstehen elektrisch geladene Teilchen, die mit nahezu Lichtgeschwindigkeit durch das Eis rasen und dabei Licht aussenden, die sogenannte Tscherenkow-Strahlung.Wo kommen die Neutrinos her?Nach diesem Licht suchen die Forscher mit «IceCube». Das ist - der Name sagt es bereits - ein Eiswürfel. Ein riesiger Eiswürfel: Seine Kantenlänge beträgt einen Kilometer. Insgesamt 5160 Lichtverstärker haben die Physiker des «IceCube»-Projekts bis zu 2,5 Kilometer tief in einem Kubikkilometer des antarktischen Eises versenkt. So können sie das Tscherenkow-Licht nicht nur einfangen, sondern auch die Richtung bestimmen, aus der es kommt - und damit auch die Herkunftsrichtung der Neutrinos.Neutrinos spielen eine wichtige Rolle in der Kernphysik, so etwa auch bei der Kernfusion im Inneren der Sonne. Doch die Neutrinos, nach denen mit «IceCube» gefahndet wird, sind millionen- bis zu milliardenfach energiereicher und entstehen bei Sternexplosionen und in der Umgebung supermassereicher Schwarzer Löcher in fernen Galaxien. Aber auch in unserer Milchstraße sollten durch die Wechselwirkung der kosmischen Strahlung mit Gas und Staub hochenergetische Neutrinos entstehen, zusammen mit Gammastrahlung. Doch während diese Gammastrahlung von Satelliten-Observatorien aus nachgewiesen werden konnte, blieb die Suche nach den galaktischen Neutrinos bislang erfolglos.Das Rauschen herausgefiltertDas Problem: Die kosmische Strahlung produziert auch in der Atmosphäre der Erde Neutrinos - und dieses Rauschen überlagert das gesuchte Signal aus der Milchstraße. Durch eine Verbesserung ihrer Methoden ist es den «IceCube»-Forschern jetzt jedoch gelungen, die Neutrinos aus der Milchstraße sichtbar zu machen. Zum einen filterten die Wissenschaftler solche Ereignisse heraus, die vom Südhimmel und damit aus Richtung des Zentrums der Milchstraße stammen.Und zur Bestimmung der genauen Herkunft der registrierten Neutrinos kam ein maßgeblich an der TU Dortmund entwickeltes, auf maschinellem Lernen basierendes Verfahren zum Einsatz. «Diese verbesserten Methoden führten dazu, dass wir etwa zehnmal mehr Neutrinos für die Auswertung verwenden konnten als zuvor, und das mit einer besseren Richtungsauflösung», erklärte Mirco Hünnefeld von der TU Dortmund. «Insgesamt war unsere Analyse damit dreimal empfindlicher als frühere Suchverfahren.»Die so ausgewerteten «IceCube»-Daten liefern erstmals ein Bild der Milchstraße, wie sie mit «Neutrino-Augen» betrachtet aussehen würde. «Und dieses Bild bestätigt unser bisheriges Wissen über die Milchstraße und die kosmische Strahlung», sagte «IceCube»-Forscher Steve Sclafani. Doch das sei erst der Anfang. «IceCube» sammelt weiter Daten und die Methoden sollen weiter verbessert werden. «So erhalten wir ein Bild mit immer besserer Auflösung», erklärte Denise Caldwell vom «IceCube»-Projekt. So wollen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler herausfinden, wo genau die Neutrinos entstehen. «Und wir hoffen natürlich auch, dabei bislang unbekannte, nie zuvor gesehene Strukturen unserer Milchstraße zu entdecken.»Bildnachweis: © Yuya Makino/IceCube/NSF/dpaCopyright 2023, dpa (www.dpa.de). Alle Rechte vorbehalten